Tag2 – Länderpunkt Argentinien bei der Barra

19.08.2014, 15:00 Estudiantes Buenos Aires – Instituto Cordoba / Copa Argentina / Estadio Julio H. Grondona / 1:0

Die erste Nacht im Hostel war recht kurz. Durch den Jetlag waren wir bereits um sieben Uhr morgens wach und konnten nicht mehr weiterschlafen. Hinzu kam, dass das Haus generell sehr hellhörig ist und eine gewisse Grundlautstärke herrscht. Nach etwas Internet, die nächsten Tage planen, duschen und fertig machen, gab es das erste argentinische Frühstück. Neben Baguette, Brötchen und diversen Brotaufstrichen gibt es Cornflakes und frisch zubereitetes Rührei, was das Highlight darstellte. Nach dieser Stärkung ging es auf Erkundungstour durch das Viertel San Telmo, mal vorbei am Obelisco, einem der Wahrzeichen von Buenos Aires über die Avenida de Mayo entlang und über die Avenida 9 de Julio, die als breiteste Straße der Welt bezeichnet wird. Zwischendurch wurden die ersten Empanadas eingeworfen. (Blätterteigtaschen, wahlweise gefüllt mit Spinat, Käse und Schinken, Hühnchen- oder Rindfleisch, sehr schmackhaft)

Langsam wurde es Mittag und damit Zeit Richtung erstes Spiel der Tour aufzubrechen. Im Estadio Julio H. Grondona von Arsenal (1. Liga) sollten die beiden Drittligisten Estudiantes aus Buenos Aires und Instituto Cordoba aufeinander treffen. Julio H. Grondona?? Da war doch was… Der argeninische Vizepräsindent der FIFA verstarb am 30. Juli 2014, weswegen der von uns unter der ersten Reisewoche anvisierte Spieltag kurz vorher nach hinten verschoben wurde. Wat sull dä Quatsch? In Deutschland undenkbar, aber hier ticken die Uhren etwas anders.

Zu Fuss ging es zum Constitucion, einem der großen Bahnhöfe, um von dort aus in den Stadtteil Sarandi zum Stadion von Arsenal zu fahren. Zuerst musste jedoch die SUBE-Card erworben werden, eine wiederaufladbare Chipkarte, um U-Bahn und Regionalzüge nutzen zu können, ähnlich der Oyster-Card in London. Wir luden diese erst ein mal für 100 Pesos auf. (Wechselkurs beim Taxifahrer 1 Euro = 12,5 Pesos, einen Tag später in der Wechselstube sogar geile 1 = 17!!!) Verwundert buchten wir die erste Fahrt nach Sarandi für sage und schreibe einen Peso. Es war in etwa die Strecke von Kölner HBF bis nach Müngersdorf Technologiepark.

Das erste Mal Regionalbahn fahren war schon ein Abenteuer. Man fühlte sich in das New York der 80er zurückversetzt. Fast jeder Waggon komplett mit Graffiti zu, die Bahnen fahren mit offenen Fenstern und zum Großteil Türen, sodass der Fahrtwind einem um die Ohren zieht. Während der Fahrt laufen zig Leute durch die Bahn und versuchen Ihre Waren an den Mann zu bringen. Batterien, Malbücher, Bonbons, CDs, Stifte, Blumen, Getränke und vieles mehr. Das Ganze wirkt schon sehr merkwürdig, vor allem, weil viele Argentinier das Zeug auch noch kaufen.

Nachdem wir durch den Stadtteil Avellaneda fuhren und schon einmal die beiden Stadien von Independiente und Racing aus der Bahn erspähen konnten, die nur einen Steinwurf voneinander entfernt liegen, kamen wir danach in Sarandi an.

Ein kurzer Fussmarsch durch die teilweise doch etwas heruntergekommene Gegend brachte uns zum Stadion. Vor Ort ein respektables Aufgebot der Gesetzeshüter inklusive Gewehren, Pferdestaffel etc. empfing uns. Der freundliche Schutzmann zeigte uns dann auch den Weg zum Ticketschalter, ein Bauwagen mit Luke, wo so gerade die 80 Pesos durchpassen, welche das Ticket kosten sollte. Obwohl wir Platea (Tribüne Sitzplatz) bestellten, bekamen wir Karten für die Kurve ausgehändigt, was wir jedoch erst bemerkten, als wir mehrere Sicherheitskontrollen durchquerten und den Block betraten. Wir staunten nicht schlecht, als wir die Treppen zum Block hinaufgingen und auf einmal vor ein paar Jugendlichen in der Kurve standen, die gerade die ersten Banner am Zaun befestigten. Diese schauten uns etwas skeptisch an, sagten jedoch nix. So unauffällig wie möglich gingen wir hoch in die letzte Reihe und setzten uns erst einmal auf die Stufen.

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Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht viel los im Ground, aber was hat man nicht alles gehört und gelesen, dass man niemals in die Kurve zu den Barras gehen soll! Auf der anderen Seite hingen schon ca 30 Instituto-Fahnen und der Block war mit ca 50 Leuten befüllt. Auf unserer Seite befanden sich ca. 20 Leute im Block. Es war ca. eine Stunde vor Spielbeginn. Trotzdem war uns etwas mulmig, dass wir mitten im Heimblock standen, wo nun mehr und mehr Gestalten eintrudelten und die Fahnen aufhingen. Nach kurzer Beratschlagung gingen wir noch einmal zurück zum Blockeingang und  fragten die Ordner, ob wir nicht auf die Haupttribüne, auf die wir eigentlich ja auch wollten, könnten. Diese verneinten natürlich und so blieb uns nix anderes über, als wieder an den betreits Anwesenden vorbei unter kritischer Beobachtung in die letzte Reihe nach außen zu stiefeln. So langsam wurde es voller, um uns herum zum Teil aber ältere Leute und auch Familien, jedoch auch nicht ganz vertrauenserweckend aussehende Asis, oberkörperfrei, schlecht tättowiert und nicht gerade freundlich schauend. Alles in Allem aber relativ ruhig, bis ca. zwanzig Minuten vor dem Spiel, als auf der von unseren Plätzen einzusehenden Hauptstraße mehrere Busse anhielten und die Barra aus diesen auf die Straßen strömte. Sofort erklangen die für Argentinen so typischen Trommeln, Trompeten und melodischen Gesänge. Gleich sollte es doch noch voll werden im Block! Kurz vor Anpfiff kamen die Jungs auch rein, stellten sich auf die Wellenbrecher und hielten sich an die zuvor gespannten Bänder vom Zaun bis zur hinteren Mauer fest und begannen leidenschaftlich Ihre Lieder zu singen. Der Zaun mittlerweile zum Teil bis ganz nach oben in sechs Metern Höhe unter den Stacheldraht beflaggt. Auf der anderen Seite blieb es bei den ca. 50 Mann, die jedoch auch 90 Minuten durchgesungen haben, was man jedoch aufgrund der Lautstärke in unserem Block nur an den typischen Armbewegungen und Hüpfeinlagen erkennen konnte. Estudiantes legte gut los, die Stimmung verflachte jedcoch im Laufe des Spiels und wurde nach dem 1:0 und am Ende nochmal richtig gut.

Da der Block unüberdacht ist und wir seit langer Zeit in der prallen Mittagssonne standen, entschieden wir uns dazu beim fliegenden Händler der Barra für 30 Pesos eine Fischerhut zu erwerben. Damit war nicht nur Sonnenschutz gerantiert, sondern wir waren auch etwas getarnt.

Das Niveau des Spiels war nicht wirklich hoch, das 1:0 ging jedoch absolut in Ordnung. Kurz vor Schluss kletterte ein Fan noch über den Stacheldraht auf den Zaun und hielt sich nur an den Lautsprechern fest, erschrak kurz als nach dem Schlusspfiff und grandiosem Jubel eine Rakete knapp über ihm explodierte, interessierte aber niemandem so wirklich. Während dem Spiel gab es mal immer wieder Böller zu hören.

Nach dem Spiel verließen wir das Stadion recht zügig und bekamen schnell eine Bahn zurück zum Constiticion. Hier gönnten wir uns die nächsten kulinarischen Spezialitäten in Form von Superpancho (Hotdog mit allerlei Soßen zur Auswahl sowie Kartoffelstix drüber) und Choripan (Chorizowurst im Brötchen) und machten uns auf den Weg Richtung Hotel Da es Rolli immer noch nicht wirklich gut ging, verzichtete er auf das Länderpunkt Bierchen, was ich mir in Form von Quilmes natürlich gönnte!

Nachdem wir alles noch einmal Revue passieren ließen und besprachen, wie der nächste Tag ablaufen sollte, waren wir ziemlich platt relativ früh im Bett. Diesen Abend legte der Rezeptions-DJ etwas Red Hot Chili Peppers auf. Auch nicht schlecht 😉

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